27 November 2008

"Ja wie jetzt, 'Piep!'?...

...Was denn los?" - fragte ich heute früh allen Ernstes einen frechen berliner Spatzen, der direkt vor mir landete, mich schief ansah und dann seinen Schrei loslies. Eine Antwort erwartete ich natürlich nicht, ich bin ja nicht bescheuert, aber an dieser Stelle muss einmal offen bekannt werden: Ja, ich rede mit Tieren. Und zwar oftmals lieber als mit Menschen.

Warum?

Weil Tiere nicht von Natur aus miesepetrige Sackgesichter sind und ihre Zuhörfähigkeit der des Durchschnittsmitmenschen in nichts nachsteht. Warum also soll ich mich von einem Menschen ignorieren lassen, wenn das auch ein Straßenspatz oder - besonders gut - die gewöhnliche Hauskatze schafft? Letztere paart das Ignorieren auch noch derart vortrefflich mit herablassenden Blicken, dass man sich fühlt wie auf einer Behörde seiner Wahl. Vor allem haben Tiere den Vorteil, dass sie in den seltensten Fällen zurücktexten. Die Fauna kommuniziert anders, ohne umständliches Geschwafel, ohne Floskeln, ohne falsches Grinsen und ohne Stinkefinger zeigen, wenn der Gesprächspartner mal kurz wegsieht.

Daher betrete ich meinen Hof morgens nach dem Dienst mit einem lauten "Guten Morgen, Jungs!", damit die Vögel an ihrem Büffet schon mal vorgewarnt sind. Bin ich an ihrem Futterplatz vorbei, muss ich still in mich hineinlächeln beim Aufschließen der Haustür - die ganze Bande sitzt zehn Meter weiter im Apfelbaum und wartet darauf, dass ich meinen Arsch von der Bildfläche schiebe. Diesem Verlangen wird durch kräftiges Gezeter Nachdruck verliehen, sie schreien mich regelrecht ins Haus. DAS ist eine direkte, ehrliche Ansage! Zumindest bilde ich mir das gerne ein, wenn ich dann am Fenster stehe und die eben noch keifenden Federträger langsam zurückkehren in ihren Imbiss.

Wieder eine Nacht geschafft, wieder eine herzerfrischende Begrüßung erfahren beim Nachhausekommen. Danke, meine kleinen Freunde, you've made my day!

20 November 2008

Leise...

...schleiche ich mich an die Großstadttränke der Wildtiere. Ich habe läuten hören, seltene Individuen aus dem europäischen Ausland seien dort zu Gast. Normalerweise treffen sich an der Tränke Fräulein Großstadtzippe und ihr Begleiter, Freund Angeberhahn, mit den alten vierberäderten Schachbrett-Ibissen, doch heute ist alles anders! Denn sie ist da, die britische Rundlederschreidrossel.

Ungewöhnlich lebhaft geht es zu, die Lautstärke, die ungeheure Menge des labenden Nasses, der Klang fremder Zungen hüllt mich ein und nimmt mich mit auf eine Reise über die Nordsee ins Land, wo die Zitronen wohl nur im Gewächshaus blühen.

Interessant ist es, das Artverhalten der kleinen Racker von außen zu beobachten. Sie lassen sich in Gruppen nieder und schnabulieren gemeinsam vom kühlen Tranke. Zwei aufgeregt sich plusternde Einheimische hüpfen zwischen den Grüppchen herum, bieten diensteifrig mehr Flüssiges an und bringen es den immer fröhlicher werdenden Drosseln. Diese beginnen nun so langsam, ihrem Namen alle Ehre zu machen: Ein Geschrei hebt an, wie man es so in Deutschland wohl sonst kaum hört. Da sind wir von der inländischen Art der Rundlederschreidrossel anderes gewöhnt, genau so laut zwar, aber kürzer und weniger meldodisch. So ist die britische Unterart eine schöne Abwechselung im Einheitsbrei der immer gleichen und uns gut bekannten Heimatfauna. Da sie sich allerdings hier nur zur Rast aufhält, nicht zum längeren Verweilen, macht sich nach einigen Stunden Aufbruchsstimmung breit.

Doch was ist das? Die sich nach und nach Erhebenden scheinen das Liquid der Erbauung nicht vertragen zu haben, sie stolpern, wanken, knicken ein! Kaum, dass sie in der Lage sind, die Tränke zu verlassen, geschweige denn, sich jubilierend in die Lüfte zu erheben! Ein trauriger Anblick, wie sie langsam schlurfend in die Nacht davontorkeln...



England schlug Deutschland gestern in der WM-Qualifikation 2:1. Aber die Rache ist unser - Schädelfraß vom guten deutschen Bier gibts geschenkt am nächsten Morgen, doppelte Portion. Besucht uns doch bald mal wieder!

02 November 2008

Nebel...

...ist Zuckerwatte für die Seele. Alles ist leiser, friedlicher, erträglicher. Da man nur 20 Meter Sicht hat, werden auch altbekannte Wege wieder spannend, weil man sie mal mit anderen Augen sieht. Gedämpfter - und zugleich schärfer im Detail. Wenn es hier im feuchtkalten Mittel-bis-gefühlt-Nord-Europa überhaupt noch etwas irgendwie Magisches gibt, dann ist es eine Landschaft, in der sich ein Rudel Wolken verlaufen zu haben scheint.

Alles Grässliche verschwindet in ihnen, die doofe Zivilisation hält endlich mal ihre große Fresse und schweigt beklommen vor sich hin im Angesicht der sanften, überwältigenden Macht der Naturgewalt. Ich möchte bei diesem Wetter weder ein Auto noch ein Schiff steuern müssen, aber spazieren gehen könnte ich stundenlang, im Nebel bietet selbst der triste märkische Nutzwald kleine Wunder dar. Das selbstvergessen sich zankende Eichelhäherpaar - der Buntspecht, der wütend auf eine Kiefer eindrischt, um dieser sein Frühstück zu entlocken - der Schwarm Spatzen, der mich, den Eindringling, neugierig begleitet - die schimpfenden Kohlmeisen, die ich allenthalben aufscheuche...

Ja, manchmal finde selbst ich das Leben irgendwie schön.

Doch wie alles Gute und Schöne hat auch dies hier ein Ende, schon lichtet sich die weiße Zartheit und gibt den Blick wieder frei auf das bisher so gnädig verhüllte Elend der Welt, auf ihre Menschen, ihren Lärm. Da gehen wir doch lieber schnell nach Hause und schlagen ein weiteres Mal der ganzen Scheiße einfach die Tür vor der Nase zu.